...und so wurde es gemacht!
Seit Ostern 2015 lief also die Vermietung der ersten 5 Wohnungen. Die letzte der insgesamt 6 Wohnungen wurde im laufenden Jahr in den Lücken der Vermietung bis Weihnachten fertig gestellt. An Silvester des Jahres 2015 wurde diese letzte fertige Wohnung feucht-fröhlich mit allen Helfern eingeweiht.
Und es wurden auch gleich Ziele gesetzt für das neue Jahr. Das Erdgeschoss und seine Eventfläche waren nun als neues und letztes Etappenziel auserkoren. Die Fertigstellung sollte im November 2016 sein. Ein - wie sich im Laufe des Jahres herausstellte - fast nicht einzuhaltendes Datum aufgrund der vielen großen und kleinen Hürden, die es zu nehmen galt. Die Theorie gab es ja, wie ich sie schon im vorhergehenden Kapitel beschrieben hatte. Auf dem Papier waren die Eckpunkte klar festgelegt, die „moselspezifischen“ Gegebenheiten berücksichtigt. Und damit begannen die ersten Tage im Januar 2016, an denen wir noch Urlaub und frische Vorsätze im Rücken hatten.
Die Aufteilung der Räume wurde ja in der Planung den Gegebenheiten untergeordnet und so musste kaum etwas an der Substanz selbst geändert werden. Die frühere Nutzung als Fasskeller im Kreuzgewölbe und der Scheune oder Stallung bis hin zum Dorfladen mit ehemals anhängender Gaststätte und Küche hielten Räume vor, die allesamt miteinander aufgrund der Funktionen und Abläufe im Winzer- und Gaststättenbetrieb verbunden waren. Das kam meiner Planung sehr entgegen und so reihte ich die Bereiche der Eventfläche um das Filetstück derselben - das Kreuzgewölbe - herum ein.
Prima, die Theorie passte, nun zum praktischen Teil: Der Boden des Kreuzgewölbes war schräg, sehr schräg sogar und aus einer zusammengefrickelten Betonfläche. Und dann gab es dort auch noch die aus Sandsteinen gemauerten „Schienen“, auf denen die Fässer lagerten und gerollt werden konnten. Da die Höhe der Gewölbebögen ebenfalls zu gering war für die heutige Menschheit, blieb nur die Tieferlegung des Bodens. Aus vorausgegangenen Arbeiten wussten wir ja, das die Grundmauern deutlich tiefer reichten und somit starteten wir diese Arbeiten - in reiner Handarbeit! Bis zu 80 cm tief pickelten wir den über Jahrhunderte festgetrampelten Boden auf und fuhren ihn mit der Schubkarre in die bereit gestellten Container. Erst in der Scheune konnte die Arbeit mit einem Bagger unterstützt werden, da dort ausreichend Platz und Höhe vorhanden war. Der Stall „durfte“ dann wieder mit der Schippe geräumt werden. Für alle, die jetzt noch darüber schmunzeln mögen, sei eine Zahl genannt: Es wurden insgesamt rund 123 Tonnen Erdreich und Beton abgefahren.
Inzwischen war das Jahr ein gutes Stück weiter, es war März geworden. Neben der ernüchternden Schachterei wurden schon die Wasser-, Heizungs- und Abflussleitungen verlegt für die Toilettenanlage und die Gastroküche. Auch die Elektrik war eingebaut. Wundern kann man sich jetzt, warum die Haustechnik vor den Rohbau gesetzt wurde. Bei diesen Arbeiten mussten wir völlig anders denken als sonst üblich. Alle Leitungen konnten nur im Boden zwischen den Räumen verlegt werden. Die Wände waren ja tabu für alles neuzeitliche, da sonst das alte Schiefermauerwerk oder die Holzbalkendecke mit Lehmfüllung ihre einzigartige Wirkung verloren hätten. Das war mit einer genauen Detailplanung im Vorfeld umsetzbar. Für den Toilettenbereich fertigte ich einen Detailplan im Maßstab 1:10 für diese Arbeiten an; alle eingemessenen Punkte der Rohrleitungen passten später mit den neuen Wänden überein.
Generell stellte sich aber noch eine Frage ein, die mit der Mosel ins Haus kommt: Auftrieb. Das mag zunächst fehl am Platz klingen, aber im Detail ist die Lösung doch gefragt. Die eben beschriebenen Leitungen sind hier betroffen, und speziell die Dämmung der Böden und Heizungsleitungen stellte hier ein Problem dar. Wer einmal versucht hat, einen Ball unter Wasser zu drücken, kann nun nachvollziehen, welche Kräfte hier bei Hochwasser zu wirken beginnen. Denn genau diese Kraft treibt dann alles nach oben, was leichter als Wasser ist. Und dazu gehören auch die Plastikleitungen ebenso wie aufgeschäumte Dämmung. Da Physik eine logische Sache ist, lässt sie sich auch zum Glück prima berechnen. So setzte ich mich also hin, rechnete den Auftrieb der vorgesehenen Materialien aus, und setzte dagegen dann schwerere Materialien wie Estrich, Fliesen und Beton, um den benötigten Abtrieb zu finden. So wurde die Bodendämmung im Gewölbe als wasserfeste und druckstabile Dämmung gewählt und unter einer 20 cm starken Betonplatte verlegt. Die sichert nun mit dem Betonestrich zusammen das Aufschwimmen des Bodens ab. Da, wo es nicht reichte, musste eben eine Lösung durch das mechanische Befestigen gefunden werden. Das traf auf die Fußbodenheizung zu, die dann fest an Metallmatten angebunden unter dem Estrich verschwand.
Wasser gibt es aber noch in einer anderen Form, die Kummer macht - aufsteigende Feuchtigkeit. Ich hatte ja schon im Kapitel „Für warme Füße und trockene Wände...“ die Hauptlösung beschrieben, die ich auch in der ehemaligen Scheune und Stallung erneut einsetzen konnte. Doch im Gewölbe war diese Lösung nicht mehr umsetzbar. Ich musste ja wegen der benötigten Höhe und dem Problem des Auftriebs eine Betonplatte einbauen. Diese gilt aber als „dicht“, zumal auch die Dämmung unter der Platte wasserdicht ist. Damit wäre die benötigte Dampfdiffusionsoffenheit nicht mehr gegeben und alle Feuchtigkeit hätte wieder den Weg über die angrenzenden Wände gesucht. Die vorgeschlagene Lösung des Energieberaters war technischer Natur und mit hohen Bau- und Betriebskosten verbunden, hätten doch hier im Kern der Sache das ganze Jahr über die Wände beheizt werden müssen. Das wollte mir als ehedem schon gebeuteltem Bauherrn gar nicht gefallen und ich suchte „meine“ Lösung. Und die gab's nach einigen Überlegungen wieder einmal von Mutter Natur kostenlos frei Haus geliefert, solange man die Physik dazu ins Boot nimmt.
Wasser ist faul, es sucht sich immer den einfachsten Weg! So oder ähnlich hatte ich noch meinen alten Physikpauker im Ohr. Das als grundsätzliche Aussage in eine funktionierende und ansehbare Lösung umgesetzt, sah dann so aus: Die bereits beschriebene Betonplatte wurde nicht wie sonst üblich gegen die Wände betoniert, sondern umlaufend zu allen Wänden mit einem Abstand von gut 15 cm versehen. Diesen Hohlraum verfüllte ich später nach Fertigstellung von Estrich und Fliesen mit Basaltschotter, Körnung 16 mm. Nun kann das Wasser - faul wie es eben ist - wesentlich einfacher in diesen Bereich abdunsten und durch die Hohlräume hochsteigen statt den beschwerlichen Weg durch das Mauerwerk als aufsteigende Feuchte zu nehmen. Als Gimmick nutzte ich dann den Schottergürtel für die Unterbringung der Bodenleuchten, die nun den Raum perfekt illuminieren und besonders die alten Schieferwände beleuchten. Als weiteren Effekt dient dieser Schotterring im tiefst gelegenen Raum der Eventfläche auch noch der Entwässerung bei Hochwasser, da an dessen Sohle noch eine Drainage eingebaut wurde, die das Wasser an einen Pumpenschacht führt. Damit lässt sich auch der „unbeliebte Besuch“ schnell wieder nach draußen befördern. Das mussten wir zum Glück noch nicht überprüfen, die trockenen Wände allerdings überzeugen seit Anfang an.
Im Juli gab es mal wieder Urlaub. Also gab es auch wieder ein besonderes Kapitel in Angriff zu nehmen, passend zur Jahreszeit. Die erste Heuernte war durch und auf den Wiesen der Umgebung wurde von den Bauern fleißig eingefahren. Wir waren also mit dabei und holten uns zwei Säcke voll vom Feld. Wozu denn Heu? Nicht für die Deko, das sei vorweg gesagt. Aber für ein altes Handwerk benötigten wir diesen „Baustoff“. Es ging um die Ausgestaltung der Decke in der Scheune. Nachdem wir vorab die bereits eingebaute neue Holzbalkendecke mit einer Trockenbau- konstruktion nach den Vorgaben des Brandschutzes verkleidet hatten, war den Vorschriften genüge getan, nur schön ist anders. Also wurde unter die eigentliche Decke aus im Abbruch gesicherten Balken des Hauses eine neue Decke „abgehängt“ eingebaut, die dann durch traditionelle Lehmwickel mit Lehmverputz wieder geschlossen werden sollte. Im Nachhinein kann ich sicher sagen, dass ich zum Glück nicht wusste, was ich mir damit vorgenommen hatte. Den nötigen Lehm hatten wir beim Abbruch gesammelt und ergänzten ihn mit neuem Lehm, den der Fachhandel für diese Sanierungen anbietet. Den alten Lehm gesiebt und eingesumpft, mit neuem Lehm noch verlängert, und dem Heu aus der Region stand der historischen Decke nichts mehr im Wege. Auch die benötigten Wickelhölzer hatten wir beim Abbruch schon beiseite geschafft und vorsichtshalber thermisch behandelt.
Doch trotz aller Recherche war nur an wenig Info zu kommen, wie man eben diese Lehmwickel herstellt. Auf „youtube“ fand ich einen Bericht über eine Restauration, wo man zumindest auf einigen Sequenzen des Films den „roten Faden“ für diese Arbeit sehen konnte. Nach dem Öffnen eines kompletten verbliebenen alten Wickels wurde der Aufbau sichtbar und es konnte der Nachbau begonnen werden. Nachdem wir erste Gehversuche gemacht hatten, die Konsistenz des Lehmes anpassten, die Verarbeitung des Heus auch klar wurde, reifte der erste brauchbare Lehmwickel heran. Für diese Gehversuche brauchten wir einen guten Tag. Am zweiten Tag kam dann schon eine gewisse Geübtheit mit dazu, sodass wir später die jeweils gut 15 kg schweren Wickel in runden 15-20 Minuten pro Stück produziert und eingebaut hatten. Auch hier noch ein Bezug für Rechner: Ein Meter dieser Wickel braucht fertig an der Decke gute zwei Stunden, das entspricht dann 0,75 qm Fläche. Der gesamte Scheunenbereich war also nach guten 33 Arbeitsstunden gefüllt. Der Lehmverputz benötigte dann „nur“ zwei Tage bis zur Fertigstellung. Wer mag, kann sich die Lehmwickel noch ansehen - einen kleinen Teil der Decke habe ich zur Ansicht ohne Lehmputz belassen. Gut oder besser authentisch geworden ist sie wohl auch, da schon einige Leute den guten Zustand der „alten“ Decke bewunderten... Wie es geht und weil ich selbst so wenig Info zu Verfügung hatte, finden Sie hier unter dem Titel „How to make...Lehmwickel“ noch eine bebilderte Beschreibung für alle Interessierten.
Der Sommer war schnell rum, unser Fliesenleger hatte inzwischen den Buffetraum, das Personal-WC und die Küche mit Fliesen fertig verlegt, die Wände waren zwischenzeitlich mit Kalkputz verputzt und Silikatfarbe gestrichen. Kalkputz und Silikatfarbe waren Pflicht im Erdgeschoss, da Lehmputz einem Hochwasser nicht stand gehalten hätte. Estrich und Fußbodenheizung funktionierten zusammen und die Fliesen wurden in Gewölbekeller und Scheune verlegt. Im August wurde die Türanlage hinter dem Tor geliefert und eingebaut und das Hofpflaster fand Anschluss daran. Von außen war nun alles perfekt und auch die dahinter liegende Scheune war mit der Lehmwickeldecke soweit fertig geworden. Es wurde inzwischen September, und es drängte der Ausbau der alten Stallung. Hier fehlte ja noch der gesamte Sanitärbereich.
Und damit wäre ein neues Kapitel offen - Trockenbau im Hochwasserbereich. Es war eine Lösung gefragt, die mit den wenigen Quadratmetern eine optimale Lösung brachte. Benötigt wurden ja immerhin eine Damen- und Herrentoilette sowie ein Behinderten-WC mit gleichzeitiger Funktion als Baby-Wickelraum, dann noch für das Catering ein Bereich der Getränkebereitung bei Empfängen in der angrenzenden Scheune, parallel auch für die Bild- und Tontechnik bei Seminaren und anderen Anlässen nutzbar. Und ein kleiner Verteilerflur musste auch noch sein. Schmale Wände mussten also kommen und das bei Raumhöhen bis zu 4 Metern - mit Mauerwerk nicht mehr machbar. Seit einigen Jahren gibt es von verschiedenen Herstellern inzwischen besonders rostgeschützte Metallprofile und wasserresistente zementgebundene Trockenbauplatten. Die Verarbeitung ist ähnlich zu den allgemein bekannten Trockenbauwänden, wenngleich mehr Zeit benötigt wird. Dank dieser Materialien konnte also auch dieser Bereich nach guten 3 Wochen räumlich fertig gestellt werden, dann wurden noch die inzwischen montierten Spülkästen eingemauert und die Wände verspachtelt.
Es waren noch gerade mal 5 Wochen bis zur Deadline - das große Einweihungsfest war bereits per verschickter Einladungen unverrückbar festgelegt im Kalender. Jeder Tag war bis dahin gut geplant und ausgefüllt mit Arbeiten für die diversen Handwerker - doch es kam anders. Zugesagte Leistungen konnten nicht erbracht werden, weil es entweder kranke Mitarbeiter zu beklagen gab oder andere Termine durch das miese Wetter zu Verschiebungen führten, die mir wiederum alles über den Haufen zu werfen drohten. Wer schon mal ein Haus gebaut hat und das Dilemma mit Handwerkern kennt, weiß hier mitzufühlen. Nun bin ich selber ja Handwerksmeister und schon recht geübt mit diesen Situationen, aber hier ging mir selbst langsam der Kiel auf Grund, um mit Worten an der Mosel zu bleiben. Schließlich rackerten wir bereits fast ein Jahr und mit überwiegender Eigenleistung an diesem Ziel, da kommt dann eine aufkeimende Unruhe bei schon dünnen Nerven gar nicht gut. In dieser verkorksten Lage kam die Lösung dieser Probleme in Form von Freunden zu Hilfe: Wir arbeiteten alle zusammen nach unserem normalen Arbeitstag bis oft spät in die Nacht an Fliesen, Putz und Türen herum, silikonierten Fugen und installierten Klobürsten und Papierhalter. Die gute Stimmung wurde allseitig hoch gehalten und wir konnten dann tatsächlich am Vorabend der großen Party die ganze Fläche ein letztes Mal durchputzen. Hier sei also nochmals allen ein riesengroßes Dankeschön ausgesprochen, die so tatkräftig mit dabei waren!
Die große Party am nächsten Tag war ein wahrer Befreiungsschlag für uns alle, für mich im besonderen. Nach 50 Monaten Bauzeit wurde der letzte Bauabschnitt fertig gestellt und festlich seiner neuen Bestimmung übergeben. Alles funktionierte ohne Generalprobe tadellos und übertraf teilweise noch die Erwartungen. Die Küche schaffte problemlos, alle 50 Gäste satt zu bekommen, es gab keine Staus auf dem Weg zum Buffet und auch die stillen Orte fanden wohlwollende Worte. Die Akustik in den Räumen war wesentlich besser wie erwartet und die klimatischen Bedingungen brachten keines der befürchteten Probleme mit sich - wohl alles mehr oder weniger der alten natürlichen Substanz zu verdanken. Die geplante Be- und Entlüftungsanlage für die Eventfläche wurde bis heute nicht einmal genutzt. Alte Häuser sind manches mal besser als die beste technische Innovation.
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